Definition: Zombies

Nach einer ursprünglichen, aus einer kolonialistischen Mischkultur  stammenden Bestimmung sind Zombies Menschen, die durch Zauberkraft unter fremden Willen gezwungen und zu Arbeit oder Kampf eingesetzt werden. Zweifellos steht diese Vorstellung in Zusammenhang mit der Erfahrung der Sklaverei.


[White Zombie, USA 1932]

Georg Seeßlen, in seinem Buch "George Romero und seine Filme":

Zunächst ist der Zombie-Mythos immer verbunden mit der Magie des Voodoo. Dort versetzen sich einerseits die Tänzer und Schamanen durch Drogen, Versenkung, Bewegungsrausch in Trance; sie sind nicht mehr Herren ihrer selbst sonern verkörpern Verstorbene, Dämonen. Andererseits geht es um das Bannen über Entfernungen: Man sendet sich Krankheiten und Schmerzen, möglicherweise sogar den Tod. Der Begriff »Zombie« oszilliert zwischen der kreolischen Bezeichnung für jedes Phantomwesen, das die Menschen aus dem Reich der Toten heimsucht; in Haiti dagegen ist es, präziser, ein konkreter Verstorbener, der durch einen Zauber aus dem Grab geholt wurde. Dieser Tote ist zwar seelenlos, aber sein Körper ist vor weiterem Verfall gefeit. Den Ursprung dieses Mythos wähnt man im Schlangenkult auf Dahomey, von wo aus Sklaven, die in die Karibik verschleppt wurden, ihn verbreiteten. In dieser speziellen Weise wird der Zombie zur Matrix des Genres.
Die populäre Kultur hat die beiden Aspekte in der Figur des Zombie zusammengefasst: ein untoter Mensch, der sich wie in einem Trance-Zustand und wie ferngesteuert bewegt und in der Tat einem bösen Willen folgend Unheil über die Menschen bringt.

Nach dem klassischen Zombiefilm, wie er von Romeros Night of the Living Dead begründet wurde, sind Zombies wiederauferstandene Tote, deren einzige Triebfeder darin besteht, Lebende aufzuessen – und damit ebenfalls in Zombies zu verwandeln. Sie sehen ungesund und geschunden aus und sind motorisch stark beeinträchtigt. Aufgrund ihrer steifen Glieder haben sie einen schleppenden, schwankenden Gang und langsame, ungelenke Bewegungen. Ihre geistigen Fähigkeiten entsprechen maximal denen eines Kleinkinds. Sie sind, mit anderen Worten, maximal regredierte, auf einen einzigen Trieb – das Fressen – und Spuren früherer Konditionierungen reduzierte Menschen. Nochmal Seeßlen:

(Ü)berall, wo technischer, industrieller, wirtschaflicher, wissenschaflicher, medialer Fortschritt produziert wird, da wird auch das Grauen produziert: Umweltverschmutzung, die harmlose Tiere in reißende Bestien verwandelt, aus den Labors entkommene  Viren, Genmanipulationen und Selektionsprojekte, die  den »Nach-Menschen« erzeugen …
Dabei entsteht die nächste Kategorie des Grauens in der Spätzeit des Konsumkapitalismus: Das Kaputte. Die Trennlinie verläuft nun zwischen dem Funktionierenden und dem Defekten. Alpträume in der Science Fiction sind defekte Maschinen, defekte Systeme und defekte Gesellschaften; der Alptraum des Horrors wird der defekte Mensch. Der Zombie à la Romero ist der defekte, überflüssige Mensch par excellence, der nur in einer kaputten Gesellschaft entstehen kann. Der Menschenmüll, der zu nichts nutze ist, aber dennoch fressen will.
 
In einer Mischform aus der alten und der neuen Bedeutung hat sich das Wort Zombie im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert als Bezeichnung für Zustände verminderter Handlungs-, Entscheidungs- und Zurechnungsfähigkeit, für Formen der Fremdsteuerung, sei es durch die (Nach)Wirkungen von toxikologischen Substanzen oder spezifische soziale Situationen (Familie, Schule, Beruf, Gesellschaft). Potentiell diffamierend, wird die Zuschreibung Zombie meist ironisch, oft als Selbstbeschreibung, eingesetzt. Es entspräche der Logik einer um politisch korrekte Sprachgebräuche bemühten Gesellschaft, Zombies, gäbe es sie als Klassifikation für eine Gruppe tatsächlich in der Gesellschaft vorhandener Wesen, als „vital Beeinträchtigte“ zu bezeichnen und damit in einer Reihe mit anderen, durch körperliche u./o. soziale Merkmale gesellschaftlich Ausgeschlossenen zu stellen.

In jüngster Zeit ist in Film, Comic und Computerspiel eine Veränderung im Konzept des Zombies zu beobachten: Sie werden klüger und schneller, oft schneller als die lebenden Menschen. Ihre Regression entspricht eher der zu einem archaischen Raubtierwesen mit überlegenen Instinkten. Die Verknüpfung ihrer Genese an die (in den früheren Phasen des Genres meist nur angedeuteten) Wirkung eines – durch Genmanipulation o.ä. entstandenen – Virus wird oft explizit. Dagegen rückt die Tatsache, dass sie eigentlich tot sind/sein müssten (der Friedhof als Anfangsschauplatz) in den Hintergrund. Sie erhalten kognitive und soziale (Grund)Fähigkeiten. In diesem Charakter als durch das Wirken menschlichen Tuns entstandene, post-humane, den Menschen in vielerlei Hinsicht überlegene Wesen scheinen sie – jedenfalls für den Moment – den Cyborg abgelöst haben (und weisen in ihrer Mischung aus geistiger und charakterlicher Regression und körperlicher Überlegenheit eine Verwandtschaft mit den Morlok aus H.G. Wells klassischer Science-Fiction-Erzählung The Time Machine auf).

Angelegt und weitergeführt wurde diese komplexe Entwicklung der Zombie-Figur wiederum bereits bei Romero. Über die post-humanistische Perspektive des Zombies sagte er, und wir zitieren ein weiteres mal aus Seeßlens Romero-Buch:

Für mich waren die Zombies immer Sinnbilder der Revolution: Eine Generation frisst die andere auf.« Deswegen ist es auch, ganz im Gegenteil zu den Nachfolgern und Imitatoren, bei George A. Romero immer von Bedeutung, zu zeigen, dass Zombies-Töten auch eine Form des Tötens ist (und in den späteren Filmen, dass sie auch, wenngleich rudimentär, Leid und sogar Mitleid kennen). Und deswegen unterscheiden die Filme stets auch sehr genau zwischen jenen, denen das Zombie-Töten Spaß macht, und jenen, die, wie Soldaten in einem furchtbaren Krieg, darunter leiden und daran zu zerbrechen drohen.
Im Spiegel-Interview erklärt Romero: »Obwohl die vier Filme inhaltlich nicht zusammenhängen, zeigen sie dennoch eine Kontinuität: Im ersten Film kamen die Zombies in der Nacht. Sie waren keine Persönlichkeiten. Am Ende des dritten Films haben sie begonnen, die Menschen zu imitieren und den Planeten zu erobern. Jetzt beherrschen sie ihn und ergreifen zum ersten Mal die Inititiative. Sie sind mit Absicht menschlich gehalten. Ich habe auch darauf geachtet, dass ihr Kleidungsstil verschieden ist, ich wollte sie nicht wie eine Armee darstellen, sondern wie Individuen. Abgesehen davon mag ich den Gedanken, dass Zombies wie wir sind. Die größten Monster sind doch sowieso unsere Nachbarn, der schlimmste Horror befindet sich immer direkt nebenan. Die Zombies lernen, sie imitieren die Menschen, was wiederum die Frage aufwirft, ob sich die Menschen wie Zombies benehmen.«

Alle Zitate, in der Reihenfolge ihres Einsatzes, aus:
Georg Seeßlen, George A. Romero und seine Filme, Bellheim 2010, S. 258f., 17f., 296f. (Volltext des ersten Kapitels auf der Seite des Verlags unter: www.edition-phantasia.de/seesslen/romero.pdf).