WORKSHOPS

Sechs Referenten des Kongresses boten Workshops an, die sich an Natur-, und Geisteswissenschaftler sowie an Interessierte aus dem Medizin- und Pflegebereich richteten. Die Workshops fanden an den Kongresstagen vormittags statt.

Workshop Gehring

 

DONNERSTAG, 12.5.

STERBEHILFE, STERBEBEGLEITUNG UND ERMUTIGUNG ZU LEBEN
Oliver Tolmein
10.00-13.00 Uhr

In dem Workshop wird diskutiert, welche Rolle Pflege und Assistenz gegenwärtig in der letzten Lebensphase spielen. Ist die hochemotionale Diskussion um Sterbehilfe nicht viel zu oft nur ein Plädoyer für den schnellen Tod? Das Recht auf Hilfe zum Sterben erfordert ein Recht auf gute Pflege und intensive Schmerzbehandlung unheilbar Kranker. Welchen Sinn machen Entwicklungen wie der Pflege-TÜV? Kann es evidenzbasierte Pflege geben? Und vor allem: Wodurch muss sich eine Alternative zur aktuellen Entwicklung in der Gesundheits- und Pflegepolitik, die durch Ökonomisierung, Rationalisierung und die Rückverlagerung ins Ehrenamt gekennzeichnet ist, auszeichnen?

 

 

FREITAG, 13.05.

MASCHINENMENSCHEN – MENSCHENMASCHINEN
Cornelius Borck
10.00-14.00 Uhr

„Die Mensch-Maschine“ war schon der Titel von LaMettries 1748 erschienenem Skandalbuch, dessen radikales Aufklärungsprogramm seither die Geister entzweit. Nach der Katastrophe des 1. Weltkriegs wurde der Maschinenmensch, der Prothesenträger, zur prägenden Figur des Alltags der Zwischenkriegszeit – und zum Menetekel eines fehlgeleiteten technischen Fortschritts, der Menschen buchstäblich zu Maschinen macht. Aber der Prothesenträger, der geflickte Mensch, steht dabei am Schnittpunkt höchst widersprüchlicher Programme. Denn die technische Zurüstung des Menschen und seiner Sinnesorgane wurde auch zum Vorgriff auf Utopien einer revolutionären Transformation des biologischen Körpers auf dem Weg zum Neuen Menschen. Der Workshop analysiert Prothesen, Sinnesmaschinen und Körpercollagen auf den Feldern von Kunst, Medizingeschichte und Medientheorie. Denn auch hundert Jahre nach Freuds süffisantem Statement feiert der Mensch sich in seinen Körpermaschinen offenbar weiter als „Prothesengott“.

 

"ICH WILL KEIN LEBEN" - ELFRIEDE JELINEKS ÄSTHETIK DES UNTOTEN
Elisabeth Günther/Moira K. Mertens
10.00-15.00 Uhr

Das literarische Werk der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist wie kaum ein anderes durch den Diskurs des Untoten geprägt. Von den Vampirinnen in „Krankheit oder Moderne Frauen“ (1987) bis hin zu den RAF-Gespenstern in „Ulrike Maria Stuart“ (2006) versucht die Schriftstellerin mit ihren Figuren dem gesellschaftlich Verdrängten, das immer wieder als untotes Relikt an die Oberfläche steigt, Gehör zu verschaffen. Eine literarische Erinnerung, die in Jelineks Opus Magnum „Die Kinder der Toten“ (1995) kulminiert: In der Manier des Horrorsplatters werden aus Opfern und Tätern des Nationalsozialismus verwesende Zombies. Mit üppiger Assoziations- und Zitatenfülle zieht sich die mangelnde Aufarbeitung und Erinnerung des Holocaust thematisch vehement durch Jelineks Texte. Mit dem Fokus auf das Verhältnis der Lebenden zu den Toten, im Besonderen zu den Untoten widmet sich der Workshop dem noch wenig erforschten Werk der Autorin. Referenten aus Literatur- und Theaterwissenschaft stellen hierzu ihre Arbeiten vor.
(In Zusammenarbeit mit dem Elfriede Jelinek-Forschungszentrum Wien und der Universität Hamburg) 

 

ÄSTHETIK DER PROTHESE
Karin Harrasser/Armen Avanessian
9.30-12.30 Uhr & 13.30-15.30 Uhr

Prothetisch reparierte Körper sind nicht nur ein prominentes Motiv der frühen Avantgarden, die Prothetik informiert als Technik und Konstruktionsprinzip (des Montierens, Collagierens, Ersetzens) die Ästhetik der Moderne und der Postmoderne. Das Spektrum reicht hier von den Panzerungs- und Maschinisierungsphantasien der Futuristen über die heillos zergliederten Körper des Dadaismus und des Surrealismus bis hin zur Fabrikation eines „Neuen Menschen“ quer durch alle Genres. Der Workshop spürt dem Herkunftskomplex (Thomas Bernhard) prothetischer Logiken und Verfahren im Kontext der Kriegsfolgenbewältigung der 1910er und 1920er Jahre nach und diskutiert ausgewählte künstlerische Beispiele. Diskussionsgrundlage sind zwei einschlägige theoretische Texte sowie eine Zusammenstellung von Bildern und Filmen.

 

 

SAMSTAG, 14.05.


WACHKOMA: KLEINE ZEICHEN ODER KEINE ZEICHEN?
Petra Gehring
10.00-13.00 Uhr

Der Workshop wendet sich in erster Linie an Personen, die mit Wachkomapatienten Erfahrung gemacht haben – sei es in beruflichem Zusammenhang, sei es als Angehörige oder in einer anderen begleitenden Rolle. Wachkoma ist ein Zustand, der in mehrfacher Hinsicht auf der Grenze normaler Krankheitszustände liegt: Er ähnelt einer Bewusstlosigkeit, ist aber keine. Er nimmt kaum eine oder keine vorhersagbare Entwicklung. Er  kann sehr unterschiedlich lang dauern. Und er kann auch unterschiedlich enden: mit dem Tod, in manchen Fällen aber auch durch ein Erwachen. Mit der Frage „Kleine Zeichen oder keine Zeichen?“ setzt das gemeinsame Nachdenken bei einer Grundüberlegung ein, die den Umgang mit Wachkomapatienten bestimmt: Wie und wo ist noch Kommunikation möglich bzw. wie geht man mit der Erfahrung um, dass ganz ungewiss ist, ob Verständigung überhaupt noch funktioniert? Ziel des Workshops ist ein strukturierter Erfahrungsaustausch.

 

 

NOW BOTOX NEEDED TO STAY YOUNG – HOW NIGERIAN GHOSTS REMAIN STYLISH AND TRENDY
Dorothee Wenner/Husseini Shaibu
Dieser Workshop findet in englischer Sprache statt.
10.00-14.00 Uhr

In Nigeria, as in many other parts of Africa, the presence of spirits, juju and ghosts is prevalent. Whereas this has always been true, a closer look reveals how greatly the "grey zone" between the living and the dead – and its population – has changed over the years.  Focussing on how Nollywood movies depict the invisible world and their "spiritual" impact on present day Nigeria, this workshop will embark on a cinematographic journey which will lead to popular scenes, stories and figures. We will look at specific actions and appearances of "undead" beings on screen – and analyse how they transform to the requirements of contemporary life around them. Of course it is as important to try and point the finger on the "reverse effects" – on how contemporary life is transformed by Nollywood-ghosts.